Ein Object Name Service in der Cloud
In Logistik und Produktion ist es hilfreich, wenn zu Produkten oder Sendungen unterstützende technische Dienste angeboten werden. Sind hier viele Hersteller bzw. Versender in unterschiedlichen Prozessen beteiligt, dann wird ein Verzeichnisdienst benötigt, der zu einer Produkt- bzw. Sendungsnummer die zur Verfügung stehenden Dienste bestimmen kann. Ein Object Name Service, der auf dem Domain Name System aufbaut, kann die Rolle eines verteilten Verzeichnisdienst übernehmen.
Domain Name System
Das Domain Name System, kurz DNS, ist ein grundlegender Dienst ohne den vieles im Internet nicht funktionieren würde: Um z. B. eine Google-Suche über www.google.com ausführen zu können, muss der Domain-Namen www.google.com
zunächst über eine DNS-Abfrage in eine IP-Adresse, z. B. 172.217.18.100
, übersetzt werden. Erst dann kann eine Verbindung zu einem Server von Google aufgebaut werden kann. In einer DNS-Zone sind Einträge, sog. Resource Records, zu finden, z. B. ist die IP-Adresse in der DNS-Zone von www.google.com wie folgt hinterlegt:
www.google.com. 300 IN A 172.217.18.100
GS1 Identifikationsnummern
Die GS1 verwaltet Identifikationsnummern, die zum Beispiel in Form von Barcodes auf den meisten Produkten zu finden sind. An jeder Kasse im Geschäft werden diese Barcodes eingescannt und der Preis automatisch ermittelt. Weil es ungünstig wäre, wenn unterschiedliche Produkte die gleiche Nummer tragen würden, übernimmt die GS1 die Vergabe an die Hersteller. Neben der sog. GTINs, Global Trade Item Number, Nummern für Waren und Dienstleistungen, gibt es noch weitere Nummern wie die GLN zur Identifikation von Firmen und Standorten, den SSCC für Versandeinheiten in der Logistik oder die GSIN für Sendungen im internationalen Warenverkehr.
Auf der Internetseite www.gepir.de können GTINs geprüft werden. Z. B. finde ich auf der Verpackung meines Stadia-Game-Controllers die 14-stellige GTIN 00193575001333
in Form eines EAN-Barcodes. Die Abfrage ergibt, dass es sich um ein Produkt der Google LLC aus Mountain View handelt und Produkte dieser Firma mit den 7 Ziffern 0193575
beginnen. Dies ist der sog. Company-Prefix.
Object Name Service
Mit dem GS1 Object Name Service (ONS) kommen Identifikationsnummern und DNS zusammen: Der ONS-Standard definiert wie Identifikationsnummern in einen Domain-Namen überführt werden kann, um damit automatisch technische Dienste über eine DNS-Abfrage ermitteln zu können.
Ein wesentlicher Vorteil von DNS liegt darin, dass die DNS-Zonen an die jeweilig zuständigen Hersteller delegieren werden können und daher keine zentrale Instanz mit der Dienstdefinition betraut werden muss.
Beispielsweise wird die 14-stellige GTIN 00193575001333
meines Controllers wie folgt in einen Domain-Namen umgewandelt:
- Zunächst wird die Prüfziffer
3
am Ende entfernt:0019357500133
- Danach werden die erste Ziffer festgehalten und die restlichen Ziffern umgedreht:
0331005753910
- Die werden Ziffern durch Punkte getrennt:
0.3.3.1.0.0.5.7.5.3.9.1.0
- Dann wird der Typ der Identifikationsnummer, GTIN, angehängt:
0.3.3.1.0.0.5.7.5.3.9.1.0.gtin
- Dann wird
.gs1.id.
angehängt:0.3.3.1.0.0.5.7.5.3.9.1.0.gtin.gs1.id.
- Ans Ende wird der Domain-Name eingefügt, unter dem der ONS bereitgestellt wird, z. B.:
0.3.3.1.0.0.5.7.5.3.9.1.0.gtin.gs1.id.onsepc.com
In der Antwort auf eine DNS-Abfrage an diesen Domain-Namen ist eine Reihe von Diensten zu finden, eine Antwort sieht z. B. so aus:
0.3.3.1.0.0.5.7.5.3.9.1.0.gtin.gs1.id.onsepc.com 300 IN NAPTR 0 0 "t" "http://www.gs1.org/ons/prefix" "!^.*$!01,7!" .
Der ONS-Standard lässt offen, was sich hinter diesen Diensten verbirgt und wie diese konkret aufgebaut sind. In der Antwort oben wird lediglich definiert, wie lange der Company-Prefix für die Produktnummer ist; in diesem Fall sind es 7 Ziffern.
Amazon Web Services und Route 53
Möchte man ein ONS realisieren, bietet es sich an auf existierenden Cloud-DNS-Anbietern als Software-as-a-Service aufzubauen und dort die benötigten DNS-Zonen-Definitionen zu hinterlegen. Zurzeit unterstützen die DNS-Server der Microsoft-Azure-Cloud sog. NAPTR-Resource-Records nicht, die gemäß ONS-Spezifikation benötigt werden. Andererseits ist es für Produktionsanwendungen wichtig, dass DNS-Server verlässlich aus China erreichbar sind. Entsprechend benötigte Vereinbarungen mit der chinesischen Regierung kann die Google Cloud im Moment nicht vorweisen. Es bleibt jedoch die Möglichkeit, einen ONS auf Basis von Route 53, dem DNS-Dienst der Amazon Web Services, umzusetzen, da dieser Dienst sowohl NAPTR-Resource-Records unterstützt und als auch in China betrieben werden kann.
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