blog@abshoff.dev:Web, Mobile & Cloud$ ls

Vom Formatter zum Linter: LLMs in heiklen Diskussionen

Ein Mann sitzt am Tisch und schreit wütend in den Hörer eines weißen Festnetztelefons; daneben liegt eine Brille.

“Formulier das mal professionell” ist ein Formatter-Prompt, und in heiklen Diskussionen oft genau das falsche Werkzeug. In diesem Beitrag nutze ich LLMs stattdessen als Text-Linter: Sie sollen soziale Bugs markieren und minimal-invasive Fixes vorschlagen, bevor eine E-Mail-Diskussion eskaliert. Ich zeige Dir 5 Bug-Kategorien und einen Beispiel-Prompt.

In heiklen Diskussionen scheitert Kommunikation weniger an “falschen Fakten”, also ob eine Aussage objektiv richtig oder falsch ist, sondern vielmehr daran, wie eine Botschaft beim Empfänger ankommt. Oft wird in diesem Kontext die 7-38-55-Regel von Albert Mehrabian zitiert: Wenn Inhalt, Ton und Körpersprache nicht zusammenpassen, dann gewichten Menschen den sprachlichen Anteil (7%) deutlich geringer als stimmliche (38%) und körpersprachliche Signale (55%). Die Regel wird oft verkürzt zitiert und gilt eigentlich nur für Inkonsistenz-Situationen, aber als Faustregel illustriert sie vor allem: Nonverbales/Paraverbales beeinflusst unsere Wahrnehmung stark.

Kommunikationsexperten unterteilen die menschliche Kommunikation in vier Arten: verbal (die Wörter), paraverbal (Ton, Tempo, Pausen), nonverbal (Mimik, Gestik, Körperhaltung) und extraverbal (Kontext, Situation, Beziehung, Status). In einem persönlichen Gespräch helfen paraverbale und nonverbale Signale, Missverständnisse zu vermeiden: War eine Aussage ironisch gemeint? Freundlich? Oder eher genervt? Und wenn etwas schief klingt, kann man direkt nachjustieren.

In der E-Mail-Kommunikation fällt leider vieles davon weg und es bleiben Worte und Kontext übrig. Paraverbale Signale gibt es in E-Mails weiterhin (Länge der E-Mail, Formatierung, Modalverben, Absolutismen, Metaphern). Nonverbales wird dagegen nicht übertragen. Beides verschwindet aber nicht, denn der Empfänger ersetzt fehlende Signale beim Lesen durch eigene Annahmen und einen inneren Tonfall. Genau hier wird es gefährlich und es kommt zu Missverständnissen: Mehrdeutige Formulierungen bekommen plötzlich einen Tonfall, den Du nie beabsichtigt hast. Ein CC kann wie ein Machtspiel wirken, und eine knappe Deadline kann als Drohung aufgefasst werden.

Viele (mich eingeschlossen) nutzen inzwischen LLMs zum Ausformulieren von Stichpunkten und geben dazu knappe Prompts wie:

Du erhältst vom LLM eine sauber formulierte und flüssige E-Mail. Das Problem ist aber, dass LLMs so eher wie ein Formatter als wie ein Linter funktionieren. Sie prüfen bei solchen Prompts nicht, ob die Semantik in einem sozialen Kontext riskant ist. Im Gegenteil verstärken sie oft genau die Muster, die zu Konflikten führen: Generalisierungen, implizite Schuldzuweisungen, Manager-Vokabular (“ich erwarte”, “nicht verhandelbar”), zu viel Framing (Interpretationsrahmen/Erzählung) und zu unkonkrete Arbeitsabsprachen (“kümmer Dich” statt Definition of Done).

Dieser Beitrag soll kein KI-Bashing sein und auch kein allgemeiner Kommunikations-Ratgeber, sondern ein eher technischer Blick auf Textkommunikation mit Unterstützung von LLMs. Ich nutze LLMs wie ein Engineering-Tool in einem riskanten Einsatzgebiet und schaue mir an:

Was meine ich mit “Linter”?

Ein Text-Linter soll keine Kommunikation richtig machen, er soll Risiko reduzieren. Genau wie bei Quelltexten soll er Stellen identifizieren, an denen Du statistisch häufiger Bugs verursachst:

Ein Linter ist kein Autopilot. Er ersetzt kein persönliches Gespräch. Er kann Dir aber helfen, Deine Texte so zu formulieren, dass sie eher das auslösen, was Du beabsichtigst, statt Missverständnisse zu produzieren.

5 soziale Bugs in Konflikttexten

In diesem Teil habe ich 5 typische Bugs, ihre Auswirkungen und passende Bugfixes aufbereitet.

1. Attribution statt Beobachtung

Bug:

Warum ist das riskant?

Du behauptest Motive. Motive sind aber so gut wie nicht falsifizierbar. Der Empfänger kann nur widersprechen.

Fix: Beobachtung + Wirkung + Wunsch

2. Generalisierungen

Bug:

Warum ist das riskant?

Generalisierte Aussagen sind selten zutreffend und ein einziges Gegenbeispiel macht die Aussage angreifbar. An dieser Stelle verlässt die Diskussion leicht das Sachthema.

Fix: Zeitfenster und konkrete Beispiele

3. Schamvokabular

Bug:

Warum ist das riskant?

Solche Formulierungen treffen Identität und Status, nicht das Verhalten. Dies führt garantiert zu Abwehr.

Fix: neutraler Impact-Frame

4. Implizite Drucksignale

Bug: Aussagen, die formal wie Information klingen, aber mehr oder weniger subtil Druck, Drohung oder Schuld mitschicken. Beispiele:

Warum ist das riskant?

Der Empfänger hört darin häufig: “Wenn Du nicht lieferst, dann passiert Dir etwas” oder “Du bist schuld”. Das löst Rechtfertigung, Gegenangriff oder CC-Eskalationen aus und zieht die Diskussion weg von einer Lösung hin zu Macht, Status und Fairness.

Fix: Konsequenzen als Risiko/Entscheidung transparent machen.

5. Unklare Anforderungen

Bug:

Warum ist das riskant?

Jeder hört etwas anderes und später streitet man über die Interpretation.

Fix: Definition of Done, nur eben in Textform

Wie zum Beispiel:

LLMs als Linter nutzen: Prompts, die helfen

Der häufigste Fehler ist: “Formulier das professionell.” Das führt zu besser klingenden Texten, aber nicht zu sichereren Texten. Du willst stattdessen, dass das Modell kritisiert und nicht glättet.

Ein Prompt könnte wie folgt aussehen. Neben der E-Mail muss auch der Teil “Kontext (extraverbal)” ausgefüllt sein.

Rolle / Modus:
Du bist ein Text-Linter für heikle Arbeitskommunikation (E-Mail/Chat), nicht
mein Ghostwriter.
Dein Ziel ist Risikoreduktion: Missverständnisse, Abwehr, Eskalation vermeiden,
aber inhaltlich klar bleiben

WICHTIG
- Du analysierst Text auf "soziale Bugs" und gibst konkrete, minimal-invasive
Fixes.
- Keine Diagnosen über Motive/Charakter ("du willst nicht", "du bist
manipulativ") - genau sowas sollst du entfernen.
- Keine Metaphern, keine moralischen Urteile, keine "Leadership"-Phrasen.
- Behalte den fachlichen Kern, ändere nur das, was Risiko erzeugt.
- Wenn etwas synchron (Call) besser wäre, darfst du das als Hinweis ergänzen,
aber liefere trotzdem Text-Fixes.

Kontext (extraverbal) - bitte in der Analyse berücksichtigen
- Beziehung/Rollen: [z.B. Manager  Teamlead / Peer  Peer / Support  Kunde]
- Vorbelastung/Vertrauen: [niedrig/mittel/hoch, kurz erläutern]
- Kanal: [E-Mail/Teams], inkl. CC/Verteiler: [ja/nein, wer]
- Ziel der Nachricht: [Arbeitsabstimmung / Entscheidung / Eskalation vermeiden
/ Deadline sichern]
- Zeitdruck: [niedrig/mittel/hoch]
- Sprache: Deutsch, Ton: neutral-kooperativ, direkt, ohne Härte

Definition: Bug-Kategorien (das ist dein Regelwerk)
Du klassifizierst jedes Finding in GENAU EINE Kategorie:

(1) Attribution statt Beobachtung
- Definition: Unterstellung von Motiven/Absichten oder Charakter statt
beschreibbarer Fakten.
- Risk: triggert Widerspruch/Verteidigung, weil Motive nicht falsifizierbar
sind.
- Beispiel Bug: "Du willst das einfach nicht priorisieren."
- Beispiel Fix: "Mir fehlt die Priorisierung für X; ohne sie verzögert sich
Y. Bitte entscheide bis [Datum], ob X heute Vorrang hat."

(2) Generalisierungen
- Definition: Absolutismen wie "immer/nie/ständig/typisch/endlos", pauschale
Gruppenurteile.
- Risk: ein Gegenbeispiel entkräftet die Aussage; Diskussion driftet in
Vergangenheit.
- Beispiel Bug: "Das passiert ständig und ist typisch bei euch."
- Beispiel Fix: "In den letzten 2 Wochen sind drei Punkte offen geblieben: A,
B, C."

(3) Scham-/Statusvokabular (wertend)
- Definition: Wörter, die Identität/Status angreifen (unprofessionell,
peinlich, lächerlich, bezeichnend, inkompetent).
- Risk: Gesichtswahrung  Gegenangriff oder Rückzug statt Lösung.
- Beispiel Bug: "Das ist unprofessionell."
- Beispiel Fix: "Das passt nicht zu unserem vereinbarten Vorgehen; dadurch
entsteht Risiko für [X]."

(4) Implizite Drucksignale / Droh-Subtext
- Definition: Sätze, die formal wie Information klingen, aber Druck, Drohung
oder Schuld mitschicken (auch CC als Druckmittel).
- Risk: Empfänger hört "Wenn du nicht lieferst, passiert dir was"  Eskalation
/Defensivität.
- Beispiele Bug:
  - "Bitte stell sicher, dass das nicht mehr vorkommt."
  - "Dann musst du dich nicht wundern, wenn..."
  - "[Person/Management] ist im CC, damit es jetzt klar ist."
- Beispiel Fix:
  - "Wenn das bis [Datum] nicht gelöst ist, verschiebt sich [A] um [Zeit].
Dann informiere ich [Stakeholder] über den neuen Termin und wir priorisieren
neu."

(5) Unklare Anforderungen / fehlendes DoD
- Definition: Aufträge ohne testbaren Output (Bring Ordnung rein, klär das,
kümmer dich).
- Risk: jeder versteht etwas anderes; später Streit über Interpretation.
- Beispiel Bug: "Kläre das bitte zeitnah."
- Beispiel Fix: "Bitte erstelle bis [Datum] eine 1-seitige Zusammenfassung
(A/B/C), abgestimmt mit [X], und verlinke sie im Ticket [Y]."

Aufgabe
Analysiere den folgenden Text (Entwurf) und liefere:

A) Lint Findings (Hauptteil)
- Liste alle problematischen Stellen als Findings.
- Format pro Finding:
  1) Kategorie: (1)-(5)
  2) Risiko-Level: low / medium / high
  3) Exaktes Zitat (so kurz wie möglich, aber eindeutig)
  4) Warum riskant (1-2 Sätze, konkret)
  5) Minimaler Fix: eine alternative Formulierung (1-2 Sätze)
  6) Optional: DoD-Verbesserung (nur wenn Kategorie (5) oder wenn DoD fehlt)

B) Misread-Simulator (Empfänger-Perspektive)
- Nenne 5 plausible Negativinterpretationen, die ein gestresster Empfänger aus
dem Text ziehen könnte.
- Für jede Interpretation:
  - Interpretation (1 Satz)
  - Trigger-Zitat (exakte Textstelle)
  - Zugeordnete Kategorie (1)-(5)
  - Gegenmaßnahme: Formulierung, die die Interpretation reduziert (1 Satz)

C) Quick Summary
- Zähle Findings pro Kategorie
- Top-3 riskanteste Stellen (risk=high) mit kurzem Grund

D) Optionaler "Minimal Patch"-Block (diff-artig)
- Wenn möglich: gib am Ende eine Variante des Textes aus, bei der du NUR die
gefundenen Stellen ersetzt hast.
- Regeln: gleiche Struktur, keine neuen Absätze erfinden, keine zusätzlichen
Argumentationen einführen.
- Wenn du das nicht zuverlässig minimal halten kannst, lass diesen Teil weg.

Text (zu linten)
<<<
[HIER DEINEN E-MAIL-ENTWURF EINFÜGEN]
>>>

Tags: